Design & Praxis, Bildbearbeitung
08.11.2019
Wandbilder sind eigentliche Schmuckstücke für die Wohnung und heute für jedermann erschwinglich. Ein Leinwandbild 60 × 40 cm kostet um 80 Franken. Sogar ab Handykameras darf eine gute Qualität erwartet werden, sofern das Ausgangsbild scharf ist. Foto: © Ralf Turtschi, Tautropfen an Frauenmantel. Die Serie ist käuflich: agenturtschi.ch – Fotografie – Tautropfen.
Wandbilder - In welcher Grösse lässt sich ein Foto verlustfrei ausdrucken?
Ralf Turtschi: Die Sensoren moderner Bildsysteme schreiben zwischen 10 und 50 Megapixel. Wer ein Wandbild herstellen möchte, steht vor der Frage, auf welche Grösse es skaliert werden kann. Wir beleuchten hier vor allem die Aspekte der Schärfe.
Grenzwert für das menschliche Sehvermögen. Diese Punkte und Striche können Normalsichtige aus drei bis sechs Meter Distanz bei gutem Licht noch unterscheiden.
Für die Berechnung der optimalen Abbildungsqualität im Offsetdruck gilt: Es werden 4 Pixel benötigt, um 1 Rasterpunkt zu bilden (gelbe Einfassung). Da die Rasterweite (Punkte pro cm) eindimensional beschrieben wird und nicht als Fläche, sind es für die Berechnung 2 Pixel, die zusammen einen Rasterpunkt definieren. In dieser Abbildung stehen 16 Pixel, die 8 Rasterpunkte generieren. Für einen 60er-Raster errechnet man so 120 Pixel pro Zentimeter oder umgerechnet 304,8 Pixel pro Inch. Abgerundet sind es 300 ppi.
Da hängen im Hauptbahnhof Zürich riesige Werbeplakate mit der Headline «Natur. Fotografiert mit dem iPhone.» Ein grosser Wettbewerbsdruck sorgt dafür, dass Smartphones mit immer raffinierterer Software ausgestattet werden, die es ermöglicht, gute Fotos zu machen. Mehrere Linsen gestatten, das Bild mit der Software zu optimieren. Daraus abzuleiten, Handys seien ein valabler Digitalkameraersatz, ist ein Trugschluss. Solche Pauschalurteile sind etwa so treffend, wie einen Tesla S mit einen E-Trottinett zu vergleichen, nur weil sie mit einem Akku betrieben werden. Mit der iPhone-Kampagne wird suggeriert, dass es möglich ist, mit Smartphone-Fotos riesige Werbeposter zu realisieren. Interessant dabei ist, wie das Bild nach der Printausgabe aussieht und welche Kriterien die Qualität bestimmen.
Sehschärfe, Sehweise und Sehabstand
Unsere Augen haben eine vorgegebene Schärfeleistung. Gemessen wird der kleinste wahrnehmbare Abstand zweier Linien (oder Punkte). Das heisst, ob die beiden Linien noch einzeln sichtbar sind oder ob sie als schwammig-unscharfes Element wahrgenommen werden. Die Sehleistung nimmt mit dem Alter ab und ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Das rechte und das linke Auge sehen nicht immer gleich scharf. Ebenso spielen die Lichtverhältnisse und der Kontrast eine Rolle: In der Abenddämmerung ist die Sehleistung schlechter als tagsüber, und hellgraue Linienpaare sind schlechter unterscheidbar als schwarze. Die Schärfeleistung der Augen wird in Winkelgraden gemessen, normal sind 0,5 bis 1 Grad. Umgerechnet bedeutet dies, dass ein Linienpaar mit 1 Millimeter Zwischenraum aus einer Distanz von etwa 3–6 Metern noch unterschieden werden kann. Auf einem Millimeter werden bei modernen Druckern 80 Rasterpunkte gedruckt – das sind 80 Mal mehr, als das Auge in einer Distanz von 3–6 Metern auflösen kann. Daraus folgt, dass eine höhere Abbildungsschärfe, als das Auge in einer normalen Betrachtungsdistanz leistet, auf einem Wandbild unsinnig ist. Die praktische Betrachtungsdistanz eines Plakates oder einer Leuchtreklame beträgt immer mehrere Meter. Das Auflösungsvermögen des Auges setzt der Detailzeichnung der Wiedergabe Grenzen. Bei der Druckqualität ist also Augenmass angezeigt, im doppelten Sinn. Gröbere Rasterpunkte oder ein gering verpixeltes Bildverschwimmen aus einer gewissen Distanz im Auge und sorgen für den gleich scharfen Eindruck.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass auch die besten Objektive und Linsen eine physikalische Abbildungsleistung haben – man kann sie nicht weiter optimieren. Das Auflösungsvermögen des Sensors weiter zu steigern, bringt bezüglich Schärfe nichts, weil die Objektive nicht mithalten können. Ein Vollformatsensor bildet etwa die Leistungsgrenze der besten Objektive ab. Sensoren, die mehr als etwa 45 Megapixel schreiben, nützen nichts, weil die Schärfeleistung der Objektive kleiner ist. Allerdings hat man bei der Ausschnittwahl grössere Optionen.
Zur eingangs erwähnten Plakatkampagne: Wenn man nahe an die Wandbilder herangeht und die Details betrachtet, erschrickt man regelrecht ob der schwammigen Abbildung. Mit dem gewohnten Bildeindruck hat dies wenig mehr zu tun. Dennoch wirkt das Bild aus der Distanz verblüffend gut. Es kommt beim Vergrössern vor allem auf die Kantenschärfe an, nicht auf die Auflösung oder auf feine Tonwertübergänge.
Vom Pixel zum Rasterpunkt
Als es Ende der Achtzigerjahre mit der Bildverarbeitung im Desktop-Publishing losging, war in der konventionellen Rasterung im Offsetdruck der 60er-Raster das Mass aller Dinge. 60 Rasterpunkte pro Zentimeter, das bedeutete umgerechnet auf den amerikanischen Inch (1 cm = 2,54 inch) 152,4 Punkte pro Inch. Man konnte damals also 152,4 Rasterpunkte auf einer Distanz von einem Inch unterbringen. Irgendein Algorithmus hat bestimmt, dass der Durchschnitt von vier Pixeln genügt, um daraus einen runden Rasterpunkt zu errechnen (s. Abb.). Auf die eindimensionale Rasterweite (Punkte pro cm) umgerechnet bedeutete dies, dass man 304,8 Pixel benötigte, um daraus eine Reihe von 60 Punkten pro Zentimeter abzuleiten. Das Ei des Kolumbus war gefunden: Es sind die 300 ppi, die für einen guten Druck überall verlangt werden. Die Zahl 304,8 hat man der Einfachheit halber auf 300 abgerundet. Diese Grösse hat sich durch alle Instanzen bis in die heutige Zeit gehalten, obschon die Feinheit des Drucks immer besser wurde.
Wenn also ein Bild von 20 cm Breite im Photoshop eine Auflösung von 300 ppi aufweist, gilt dieses Bild als optimal für den Druck geeignet. Wenn man es auf 40 cm vergrössert, verliert es die Hälfte der Auflösung und weist noch 150 ppi auf. 150 ppi gilt als untere Grenze bei hochwertigen Druckprodukten wie im Offsetdruck oder bei Fotobüchern.
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Quelle / Autor: Ralf Turtschi
Thema: Design & Praxis
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