Design & Praxis, Bildbearbeitung

Fontbesprechung - FF Nort: Spagat zwischen Alt und Neu

17.01.2020

FF_Nort_1000

Der Hamburger Schriftgestalter Jörg Hemker (46) hat mit seiner FF Zwo 2002 einen Wurf gelandet, 2011 kam die FF Sero hinzu und 2018 folgte die FF Nort, um die es in diesem Bericht geht.

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[RegulaR] Schrift ist heute ausentwickelt, kann man sagen. Die Buchstaben des Alphabetes sind gegeben und eine beliebige Abänderung der Formen ist der Sache nicht dienlich, weil die Gewohnheit des Lesepublikums keine Extravaganzen zulässt. Dennoch gehen einige Schriftgestalter heute den steinigen Weg, eine eigene Schrift zu entwerfen. In einem Umfeld, in dem schon Hunderte, wenn nicht Tausende von Schriften existieren, eine bewundernswerte Aufgabe.

[Extralight] Die FF Nort wurde von Jörg Hemker gestaltet und von Monotype 2018 veröffentlicht. Hemker nahm die britische Beschilderungsschrift Transport als Vorbild, die wiederum der Akzidenz-Grotesk ähnlich ist. Er sagt: «Das ganze System der Autobahnbeschilderung, formal intellektuell und rigoros in seiner Qualität, ist Vorbild für die Nort. Zurück zum Puren, zum Einfachen.

[Light] Die Akzidenz­Grotesk kam um 1900 auf den Markt – sie gilt als Mutter aller Serifenlosen. Später versuchten sich die Gestalter um das Bauhaus mit reduktionistischen Formen, die grandios scheiterten. Der bekannteste Vertreter ist die 1927 erschienene Futura von Paul Renner, die ihren Weg erst als lesefreundlichere Variante machte. Die Akzidenz­Grotesk wurde 1957 von der Helvetica (Max Miedinger) und, leider nicht ganz so erfolgreich, von der Univers (Adrian Frutiger) getoppt. Auf dem Flughafen Zürich ist die Akzidenz­Grotesk als Signaletik­Schrift eingesetzt, die Credit Suisse benützt eine Abart als Hausschrift.

[MediuM] Nun, die von Hemker angeführte Nähe zur Akzidenz-Grotesk ist der Nort nicht anzumerken. Die Formensprache der Buchstaben hat sich zu weit weg entwickelt, und das zum Guten. Die Akzidenz-Grotesk mag zwar eine Fan gemeinde haben, sie kann es aber ni cht verleugnen, über 100 Jahre alt zu sein. Meinen Geschmack und meine Bedürfnisse trifft sie ganz und gar nicht.

[Bold] Die Nort ist in acht Stärken erhältlich, je gerade stehend und mit einer echten Kursiven. Die Einzelschnitte sind mit 1573 Glyphen ausgestattet, sie decken die paneuropäischen Sprachen inkl. Griechisch und Kyrillisch ab.

[thin] Die Stärkenabstufungen nahm Hemker rein intuitiv vor. Der feinste Schnitt Thin ist wie bei anderen Fonts auch in Grössen unter 16 Punkt nicht empfehlenswert, weil die Schrift zu dünn fürs Lesen ist. [Ultra] Auf der anderen Seite der Stärkenskala setze ich beim Schnitt Ultra bezüglich Zurichtung, Ästhetik und Nutzen ein Fragezeichen. Die Binnenräume sind schlicht zu eng, die Zurichtung ist unausgewogen.

Und weil die Schriftarten oben nicht abgebildet werden können, hier noch optisch als Bild:

schriftbild

[ItalIc] Die Nort besitzt wie die Vectora eine relativ grosse x-Höhe, die im Verhältnis 1 :1,4 zur Oberlänge steht. Versalien, Oberlängen und Ziffern sind gleich hoch gehalten. Die i-Punkte und Tremas (bei ä, ö, ü) sitzen etwas zu nah auf dem Körper. Die ovalen Formen bei e, o, c, O, Q erinnern an die humanistische Tradition, die man von der Syntax her kennt. Die Interpunktionen ,.;.?! sind rund ausgebildet, nicht eckig wie bei der Helvetica oder der Akzidenz-Grotesk.

[RegulaR] Auffällig ist das «a» mit einem neckischen «Schlenker» als Serifenansatz. Als Ziffern hält die Nort Mediäval- und Tabellenziffern bereit, auch Brüche in allen Kombinationen sind möglich. Und jetzt ein Feature, auf das man lange gewartet hat: Die Ziffern unterschiedlicher Stärken lassen sich bei gleicher Breite schön untereinander stellen. Bei tabellenartigen Auflistungen wie in Preislisten, Offerten usw. gibt sich die Nort vorbildlich.

[Light itaLic] Dann sind noch die OpenType­Features zu erwähnen: Natürlich die obligaten deutschen Ligaturen ff, fl und fi, die aber bei der Nort keinen Gewinn darstellen. Hemker gibt einer Reihe von Buchstaben alternative Formen: G, G, g, g, l, l, 3, 3, 6, 6, 9, 9, 0, 0. Für die Signaletik gibt es Dingbats wie Pfeile und Ziffern in einer Kreisform: Die Nort sollten sich also auch alle Werbetechniker genauer anschauen.

[Black] Der Nort wird Leserlichkeit wie auch Plakativität zugesprochen. Ob eine Schrift leserlich ist, hängt von Faktoren ab, die ich in der Broschüre «Leserlichkeit» beschrieben habe (erhältlich im Publisher-Shop). Ob sich eine Schrift für die Buchtypografie, für die Signaletik und für den Screen eignet, hat mit offenen Binnenräumen zu tun. Andere Faktoren wie Laufweite, Zeilenabstand, Farbe, Hintergrund, Satzart usw. werden durch die Typografie bestimmt.

[RegulaR] Die Nort steht auf Augenhöhe mit anderen Fonts mit gleichwertigen Qualitäten. Sie ist eine grundsolide Hausschrift, die sich keine Extravaganzen leistet. Was wiederum ja eine gute Schrift auszeichnet. Die Kombination zwischen Alt und Neu ist etwas gewöhnungsbedürftig. Der Mix von Purismus, Humanismus, Leserlichkeit und Plakativität wird inzwischen vollmundig und inflationär von Schriftherstellern in Anspruch genommen.

Wir Anwender warten immer noch auf Studien und Beweise. Erhältlich ist die Nort bei fontshop.de oder myfonts.com, das 12er-Paket für 183 Euro, Einzelschnitt 65 Euro

schriftbild2

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Quelle / Autor: Ralf Turtschi
Thema: Imaging
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