Design & Praxis, Bildbearbeitung

Tonwertabrisse: vermeidbar?

15.09.2020

Tonwertabrisse_350

Bilder reproduzieren

Die exakte und kontinuierliche Wiedergabe von Farbverläufen ist auf Bildschirmen in der Regel kein Problem. Anders verhält es sich im Druck.
Ralf Turtschi

Das menschliche Auge reagiert nicht auf alle Erscheinungen im Blickfeld gleich empfindlich. Wir sind nun einmal darauf konditioniert, Bewegungen schneller wahrzunehmen als stehende Bilder. Ein ruhiges Eichhörnchen ist auf dem Waldboden kaum zu sehen. Wenn es sich jedoch bewegt, können wir es ohne Probleme entdecken. Farben können wir schlechter unterscheiden als unterschiedliche Helligkeiten. Das Muster eines Leoparden verschleiert seinen Körper perfekt im Umfeld, wenngleich es nicht sattgrün wie ein Blätterwald angelegt ist. Helligkeitsunterschiede existieren bei harten Bildkanten, die Figuren vor einem Hintergrund abheben. Reprotechnisch gesehen haben wir es mit einem Kontrast zu tun: Helle Stellen stehen Seite an Seite mit dunklen Stellen. Helligkeitsunterschiede sind jedoch auch bei Verläufen auszumachen. Ein Verlauf ist eigentlich der Normalfall: Überall, wo Licht von einem Körper reflektiert wird, verursacht der Lichtabfall einen Verlauf.

Tonwertabrisse_bergseeWo stören Abrisse?
Es gibt drei Problemzonen. Erstens: In den hellsten Tönen ist keine Schattenzeichnung mehr sichtbar, die Töne fressen aus. Vor allem in den Randzonen wirkt sich dies störend aus. Ausgefressene Wolken ohne Zeichnung wirken unnatürlich und fehlerhaft. Auch ein weisser Studiohintergrund kann ausfressen. Die zweite Problemzone betrifft dunkle Schattenpartien, die zulaufen und keine Zeichnung mehr aufweisen. Ein schwarzes Kleidungsstück ohne jegliche Zeichnung wirkt flächig und nicht eben textil. Die dritte Problemzone sind die hier angesprochenen Tonwertabrisse, die nur in Verläufen ohne Struktur zu sehen sind. Beim Licht und in der Tiefe sind oft die mangelhafte Linearisierung, Kalibrierung oder Profilierung Schuld. Ein Laser, der eine Druckplatte oder fotochemisches Papier belichtet, toner- oder tintenbasierte Digitaldruckmaschinen – alle haben ihre Eigenfehler. Sie können nicht alle Tonwerte auf alle möglichen Substrate perfekt vom hellsten bis zum dunkelsten Ton wieder-
geben. Man spricht auch von Gamut, dem erreichbaren Farbraum, der sich von System zu System etwas unterscheidet. Dabei spielt nur untergeordnet eine Rolle, ob man mit sRGB oder Adobe RGB arbeitet. Die Umrechnung von RGB zu CMYK spielt eine wesentlich gössere Rolle. Fotochemische Papiere haben eher Probleme mit Gelbtönen, können dafür Blautöne intensiver wiedergeben. Im Tintenstrahldruck (Fine Art Print) werden oft mehr als 4 Farben gedruckt, daraus resutiert eine höhere Dichte und Intensität. Im Offsetdruck kennt man Druckkennlinien, welche die Charakteristik der Maschine festhält. Jede Farbe in CMYK hat eine leicht veränderte Kennlinie. Die Mitteltonwerte werden eher dunkler gedruckt als die hellen. Wenn man diese Eigenheiten kennt, kann mit einem Farbprofil Gegensteuer geben und den Maschinenfehler dort «vorkompensieren». Das Problem der Tonwertabrisse ist also vielgestaltig und kann nicht einfach so per Rezeptur behoben werden.

Tonwertabrisse vermeiden
Ein Tonwertabriss bedeutet, dass die Farben des Verlaufes nicht kontinuierlich, sondern in Stufen wiedergegeben werden, wie innerhalb der weissgestrichelten Linien im Aufmacherbild dargestellt wird. Das Phänomen wird auch mit dem englischen Namen Banding beschrieben. Es scheint so, dass gewisse Töne in den Verläufen fehlen, einfach nicht vorhanden sind. Viele Tonwertabrisse entstehen bei der Postverarbeitung in Camera RAW (Lightroom, Capture One oder Photoshop), wenn die Farbsättigung übertrieben erhöht wird, mit dem Entrauschen übertrieben wird, Tiefen und Lichter falsch gesetzt werden oder eine starke Tonwertkorrektur (Gradation aufsteilen) stattfindet. Auch durch eine grosse JPEG-Komprimierung tritt Banding auf. Es scheint so, dass auch der Skalierungsfaktor eine Rolle spielt und Bilder generell fürs Ausgabeformat im Massstab 1:1 aufbereitet werden sollten. So oder so: Wenn Bilder Verläufe aufweisen, kann je nach Qualitätsanspruch eine Probebelichtung oder ein Probedruck die Problematik aufzeigen, bevor der Schaden angerichtet ist. Der Gang zum regionalen Fachgeschäft ist angezeigt. Die Internetbestellung kann solche Qualitätsansprüche nicht befriedigen.

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Ralf Turtschi ist Inhaber der R. Turtschi AG, visuelle Kommunikation, 8800 Thalwil. Der Autor ist als Journalist und Fotoreporter für die Gewerbezeitung, unteres linkes Zürichseeufer und Sihltal, unterwegs. Er ist als Dozent beim zB. Zentrum Bildung, Baden, tätig, wo er beim Diplomlehrgang Fotografie Fotobuchgestaltung lehrt und an der Höheren Fachschule für Fotografie das Studienfach Design unterrichtet. Kontakt: agenturtschi. ch, turtschi@ agenturtschi.ch, Telefon +41 43 388 50 00.

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